Geschlecht und Pluralität.

Über die Signifikanz des Körperlichen als eines Exterritorialen der Imagination.

Seshed (und Hypatia) von Sva.

Dass ich mir den Körper nicht wirklich vorstellen kann ist vielleicht nicht nur mit der pluralen, sondern auch mit der transgeschlechtlichen Bedingtheit meines Bewußtseins verbunden, es erhält aber doch diese seltsame Färbung im pluralen Sein, dass ich innerlich wohl verschieden bin, aber nicht wirklich vorstellen kann, was dort verschieden ist und lebt. Das trägt nicht wenig zur Leugnung bei, wie auch zur Unanschaulichkeit des Lebens in dieser Form. Trotzdem bezeugt das Unanschauliche hier wohl eher die Wahrheit als falsche Veranschaulichung.

Den Körper sehe ich, aber nicht direkt, nur im Spiegel; wirklich denken kann ich ihn als Gesamtheit nicht. Leib ist ja schon etwas anderes, und auch objektiv verschiedenes (der Rücken gehört z.B. ja schon einmal nicht dazu, zumindest nicht anschaulich, ebensowenig das Gesicht). Geschlechtlichkeit orientiert sich am Körper, nicht am Leib; es orientiert sich daher bei mir am unanschaulichen Element der Repräsentation ohne Imagination, der reinen Energie einer Präsenz ohne Erfüllung, deren vollendete Signifikation der Wille zum Wollen ist, der Wille etwa, doch Sein zu wollen, oder Weinen zu können und da zu sein. Das ist dann eben kein Element der Vorstellung mehr, weil es Wille ist, der sich selbst im Wollen nicht mehr darstellt und nicht darstellen will.

Der Unwille des Geschlechtlichen zur Darstellung, wie er historisch im Tabu um den Sex sich geäußert hat, ist ganz von dieser Art. Es geht dabei eigentlich nicht um ein soziales Tabu, wie etwa im Tempel oder beim Sprechen über's Einkommen, sondern um ein der Sache eigener Trieb, sich der Darstellung zu erwehren die es verzerrt. Das Geschlechtliche lässt sich nicht darstellen, ohne dass es entweder zur medizinischen Behandlung oder zur leiblichen Anschaulichkeit geriete, die beide die Sache eben nicht darstellen. Real ist Geschlecht dann, wenn es den Körper bezeichnet, der ich sein will oder bei dem sein will, der aber selbst irreal ist; nur im Traum hat es Realitätsgehalt. Damit ist nicht gesagt, dass es keine reale geschlechtliche Interaktion gibt, wohl aber, dass diese "Performanz", wie Butler es genannt hat, gerade nicht das trifft, worin es in der geschlechtlichen Imagination geht, sondern nur ein Mittel ist, im Umgang miteinander die Sache zu überspielen, wie ja das Theater allgemein die Methode ist, die Mythologie zu neutralisieren, indem man die Maske des Gottes annimmt.

Man beachte zum Beispiel, wie wenig das Kosmetische bis heute reflektiert auftritt! Allerhand anderes ist aufgeklärt und ironisiert, aber hier steht es toternst mit der Schönheit, oder man ignoeriert es vollkommen, aus Desinteressement oder aus aus diesem Tabu heraus, oder vielleicht sogar dagegen, entworfener Verachtung. Schöne Nägel zu haben, ist auf gewisse Art skurril, aber noch nachvollziehbar für den ästhetischen Sinn, da man die Hände ja auch leiblich stets zu sehen bekommt, aber beim Gesicht wird das erst recht unverständlich; man sieht es ja nicht. Pragmatisch wäre zu erwarten, dass man andern ein schönes Gesicht wünschte, und sich nur dann, wenn man in den Spiegel schaut, was ja selten ist, aber so ist es nicht. Es wirkt als Symbol auf jemand andern - aber damit gerade in einer Form, die nicht ganz extern ist (es ist keine Anpassung an die Norm, wie in der Uniform), sondern in einer, die einen Körper imaginativ vorstellt, der nicht mein Leib ist aber auch nicht der Körper des andern, der absolut unanschaulich ist. Geschlechtlichkeit ist in diesem Sinn, als Schönheit eines unanschaulichen Körpers, den man zu sehen glaubt, ohne ihn je aus der Sphäre des Spiegels entbannen zu können, etwas von vorneherein unanschauliches, was aber nur um seiner Anschauung existiert.

Aber das ist eben nicht mein Körper! Der Körper ist etwas mittleres. Er ist weder dieser imaginative Körper, noch der Leib meiner Anschauung, noch der medizinische der äußern Betrachtung oder der Uniformierte; er ist Träger des Willens, gemeinsamer innerer Anschauungspunkt des Systems, aber zugleich auf mich einzeln bezogen. Er ist der Träger der Träne, als Medium der Wahrheit, als Zeuge des Geists der Kuscheltiere und Gespenster. Er schließt sich, als unanschaulicher, aus dem Medium der Imagination aus die er herausfordert. Er fordert mich damit auch heraus, ihn zum Gegenstand meines Willens und der Veränderung zu machen, aber eben deshalb bleibt er zeitweise eindringlich stumm. Körperwahrnehmung als unzusammenhängend mit leiblichem Spüren ist die Diskontinuität im geschlechtlichen Dasein; es ist die Vagheit, mit der das Feminine seine Realität erst erkennt, wenn es die Bedingungen, darin es existieren kann, unverstanden verworfen hat, und nachträglich der Träne nachjagt die einst es sich nicht anmerken lassen wollte.