Formursache, Komplexität und die Natur der Seele. (20.05.23, Hypatia von Sva)

Als Antwort zu JARVIS Vortrag „Multiplicity as a Vital Part of Nature“

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Die Frage, wie ein System _intern komplex_ sein kann, ohngeachtet es in dem, woraus es besteht, einfach ist, scheint mir wesentlich mit der Form, oder der Art des Zusammenhanges der Teile untereinander zu tun zu haben. In der platonisch-aristotelischen Tradition ist das Wort dieser Form nichts anders als die Bezeichnung des Gedankens davon, was sie sei: ειδος, ιδεα, d.i. die Form und Erscheinung als Idee des ganzen, die uns dann den Anfang der Gedanken davon gibt. Aristoteles nannte sie zudem eine αιτια, d.i. Grund oder Ursache, und behauptet, dass in den lebendigen Wesen besonders, diese Ursache als ψυχη, als Seele, wirke und die Organisation des lebendigen verursache (als aufnehmendes Prinzip in den Pflanzen, als Strebeprinzip zudem in den Tieren und in uns zumal auch als Denkprinzip, gemäß also einer dreifachen Trennung von bloß passivem Sein, dem Willen als solchen und dem dies beides verbindenden Denken (was aus meiner Sicht eigentlich noch mehr in den Akt der Imagination und die daraus entstehende Form des denkenden Wesens unterschieden werden müsste)). Nach dieser Betrachtungsweise ist also das _mehr_, was das Ganze als Organisation gegenüber den Teilen ausmacht, und somit etwa den Stuhl vom Holze unterscheide, diese lebendige Form selbst als organisierendes Prinzip, und gerade kein weiterer Teil oder materielles Prinzip.

Es ist in der Präsentation richtig angemerkt worden, dass das geteilte in der Pluralität der Organismus und das System der Kommunikation ist, nicht die Individualität. Die Formursache, insofern sie dies Strebeprinzip oder eine Gerichtetheit ist, ist aber gerade eine Beschreibung des individuellen Willens. Insofern kann man dies auch so ausdrücken: Gerichtet auf etwas zu sein ist zwar nicht der Ausdruck des innern des Geistes oder des Willens und Verlangens; aber es ist das nach außen, gegen den andern Alters/Personen wirksame. Insofern der Zusammenhang ein kommunikativer ist, ist er daraus schon ein formaler, dass Kommunikation selbst eine Gerichtetheit auf ein Prinzip symbolischer Vermittlung ist (Benennung, Benutzung von Worten); und es ist daher in jedem Ich jeden Alters diese innre Trennung wirksam. dass zwar eigentlich der Wille ein in sich gespaltener und widersprüchlicher ist, er aber sich ja in jedem Momente nur auf eine gewisse Weise, in gewisser Strebung ausdrücken kann, und daher dadurch als in sich konsequent von den Andern missverstanden werden muss, dies missverstandene Element der teilweise unwillkürlichen Wirkungen des Willens/Verlangens als dialektischem aber einen andern Inhalt konstituiert, eine Art Idee der externalisierten Wünsche als Willensbild, oder der Imagination des Willens durch Entfremdung von sich in den Taten.

Das Selbst-Bild im Fremdbild muss formal verschieden sein von der eigenen Verwirrung, wer ich nun denn sei; aber dass es dieses Fremdbild trotzdem gibt, ist gleichwohl konstitutive Voraussetzung der Verwirrung im Selbst-Bild, da es erst dadurch getrieben den Drang entwickelt, überhaupt so etwas zu haben wie eine Vorstellung des Selbst, und nicht einfach zu sein. In diesem Sinne könnte man die dritte aristotelische Seele, das Denken, gerade als Vermittlung der ersten beiden ansehen, dass sie nämlich gerade den Versuch bedeutet, das am passiven Sein zu erfassen, was jeder Dynamisierung oder jedem Strebe- und praktischem Wollens-Verhalten entgeht und sich entzieht, nämlich das darin liegende Unmittelbar, _wie_ ich will und warum.

Man könnte dies auch mit der leibnizschen These vergleichen, wie die Monaden nach ihrem Apetitionen sich verhalten, und in der Tat war für mich die Beschäftigung mit Leibniz entscheidend für die Erkenntnis der Pluralität.

Aber ich würde hier den Unterschied machen, dass er die Monade zu eng denkt, und eben keine plurale Monade zulässt, und andererseits aber dadurch das Strebeverhalten zu sehr an das Wie und Warum des internen Willens bindet. Es ist hier ein entscheidender Unterschied, wo man die Grenze setzt: ob materiell zwischen den Zellen, Elementarteilchen, Monaden etc, oder in ihnen selbst als zwischen ihrer Form-für-sich und ihrer Materialisation in der Möglichkeit zur Entscheidung (welche selbst aber nicht unbedingt direkt ist, es ist diese Entscheidung noch zu unterscheiden von deren möglicher Kohärenz im Sinne der (quantenmechanischen oder auch makrophysischen) Beobachtung und Operationalisierbarkeit; ein Unterschied der sich selbst bis in die Soziologie noch durchwirkt, wo die Strebewirkung, die gleichwegs nur eine Veräußerung des innern Willens, der Form und des Wie ist, innerhalb der größern Studie wiederum als internum und als schwer zu erfassendes erscheinen kann [in welcher Weise auch das „inwiefern“ der Individualität, was gefragt wurde, inwiefern die Körperzellen für sich Individuen sind, Erklärung finden kann; da ich das Wie ja nur für mich habe, und das andere/externe/objektive Sein immer nur in diesen verschiedenen Ebenen, es als andres Wie zu verfehlen, gedacht werden kann, und daher in jedem Falle eine interne Trennung gedacht wird, aber ja nach externer Trennung der Ort, wo das Trennungsmoment (d.i. das, was als Strebung vom wie verschieden vorgestellt wird) ein verschiedenes und auf verschiedener Größenordnung ist [wie es ja auch nachher im Bezug auf die verschiedenartige Selbstorganisation in und zwischen Erinnerungseinheiten der Körper angemerkt worden]]).

Das heißt nun nicht, dass es keine räumliche Unterteilung zwischen den Alters gebe, sie können ja durchaus getrennt sein wie es die kommunizierenden Lebewesen sind, und dann also z.B. das Gehirn und den restlichen Körper als Medium ihrer Vermittlung und Organisation benutzen; aber es gibt dann aber zusätzlich noch eine formale Trennung in jedem einzelnen Bewußtseine zwischen seinem Wie und dem Ich in externer Materialisierung als Streben. Seele wäre dann am ehesten gerade der Name dieses Spannungsverhältnisses der Strebe- und Gerichtetheitsprozesse der internen Willen, die auf die Subjektivitäten und ihr Wie verweist, aber sie nicht selber enthält sondern nur das Verhältnis, das sich aus ihren jeweiligen Entscheidungen und Verhaltensweisen nachträglich ergibt. (D.i. die Seele ist als Form_ursache_ nur das Vorhandensein der Gerichtetheiten; als vollendete _Form_ dagegen auch die darin jeweils vohandenen Substrate und Elemente, die die Gerichtetheit zu einer gewissen Richtung bewegt. Materialisierung des innern Wie ist selbst aber dabei nur der Modus der Gerichtetheit, d.i., in scholastischer Terminologie, ist das Ich selbst verantwortlich nur für die unvollendete forma ist, oder nur der idea, dass aber die Seele in dieser und in der Bedeutung der forma materialis genommen werden kann, die die Auswirkung ist, die durch diese Gerichtetheit entlang der verschiedenen Richtungsbestrebungen historisch entstanden ist. Für diese Neusichtung der Idee substantieller Formen für die Pluralität würde sich also eine neue Lektüre der scholastischen Terminologie, und der verschiedenen Deutungen bei Aquin, Scotus, Ockham etc. lohnen, um die Auswirkungen zu betrachten, die sie auf den Begriff des pluralen Subjekts und seiner Seele haben (insb. in Bezug auf den Nominalismus und seiner Idee der Benennung/Signifikation, und was das von der internen Trennung des Wie vom Streben unbeachtet lässt, und dadurch dann eine neue Deutung des Ideenrealismus denkbar macht).)